Ich denke, das jeder so einen Safespace hat, einen inneren Bereich, in den er sich bei Not mit sich selbst oder dem Außen zurückziehen kann. Nur ist er uns oft nicht bewußt.
Ob ich so etwas früher bewusst hatte, weiß ich also nicht, aber irgendwann riet mir jemand dazu (ich war damals aufgrund einer schweren depressiven Episode in der Psychiatrie), mir so einen Raum zu erschaffen, an dem ich mich sicher fühlen und abgrenzen könnte.
Es ging mir damals sehr schlecht, ich war am Ende meiner Kräfte, die Depression nagelte mich am Boden fest, ich selbst empfand mich als totale Versagerin (siehe auch den Eintrag "Die Stimme") und es kostete mich mein letztes bischen Kraft, mich gegen die Bilder zu wehren, die mir meinen möglichen Freitod zeigten.
Eigentlich wollte ich nicht sterben und vor allem wollte ich nicht so sterben, aber so weiterleben konnte ich auch nicht mehr, weil ich die Depression und diese Stimme nicht mehr ertrug. Also tat ich das einzig sinnvolle und versuchte einen Break über einen freiwilligen Aufenthalt in der Psychiatrie, um aus der Situation zu kommen und mich irgendwie mit meiner Vergangenheit und der Depression arrangieren zu lernen.
Streckenweise hatte ich dort große Probleme mit dem Verhalten anderer Menschen und litt unverhältnismäßig stark unter Bemerkungen und Gesten, die sonst zB. nur ehr doof oder nervig sind. Manche Dinge machten mir richtig Probleme und ich konnte schwer mit bestimmten Aktionen und Reaktionen meiner Mitpatienten und/oder des Pflegepersonals umgehen. So brachten mich oft schon Kleinigkeiten aus der Fassung und ich geriet ins schwingen und reagieren.
Ziemlich blöd, wenn man sich selbst beobachtet, wie man neben sich steht und aber nichts dagegen tun kann, weil einen die Emotionen wie ein Wildfluss mitreißen, das man kaum Zeit hat, Luft zu holen und einen diese Sachen dann auch noch krass belasten, manchmal über Stunden oder länger.
Im nachhinein denke ich, das ich damals große Probleme hatte mich abzugrenzen. Ich hatte keinen inneren Ruhepunkt (Safespace), so das mein Inneres immer mehr ächzte und wankte, wenn es sich mit dem Äußeren (der Umwelt) konfrontiert sah und eben dies konnte ich damals kaum noch händeln, da ich mit meiner Kraft am Ende war. (*)
Ich weiß nicht mehr, wer es konkret war, der mir zur Visualisierung eines Safespaces riet, aber der Tipp war, wie ich heute weiß, prima. Ich sehe mich, als wäre es erst gestern gewesen, in Gedanken dort in der Psychiatrie, im Raucherzimmer hocken, überlegend, wie so ein Safespace für mich wohl aussehen könnte.
Ich hatte damals irgendwie erstmal so gar keine Idee. Dann dachte ich an Farben und ich dachte daran, das Blau etwas kühles hat. Etwas womit man unangenehmes abblocken und draussen halten könnte. Ich visualisierte etwas wie ein Schott oder eine Fahrstuhltür, das diese sich dann in leuchtendem Blau um mich herum schlösse und mir niemand hinter diese Barriere folgen könnte.
So entwickelte der Safespace sich in etwas, was in der Größe ein wenig einer Kabine mit einer sie umlaufenden 'Tür' ähnelte. Ich weiß nicht warum, aber innen ist dieser Raum von einem strahlenden Weiß erfüllt. Das könnte kalt wirken, tut es gefühlt aber nicht. Gerade durch das Weiß hat der Raum etwas helles, neutrales und reines, so dass ich mich darin wohl fühlte.
Für einige Jahre blieb dieser Safespace so, er erfüllte seinen Zweck und mit der Zeit geriet er mehr und mehr in Vergessenheit.
Im Zuge der Eigenachtsamkeit habe ich ihn nun wieder entdeckt und heute den Tipp bekommen, ihn vielleicht zu verschönern oder auszubauen. Und wißt ihr was? Das tolle daran ist ja: dadurch, dass dieser Raum in meiner Innerwelt steht, ist dort unter Zuhilfenahme meiner Phantasie alles an Gestaltung möglich. ;-)
Vor kurzem hatte ich eine interessante Begegnung mit dem Safespace. Ich meditierte und Gedanken bombardierten mich immer mal wieder, auch viele blöde und nervige Gedanken (was ich gerade versuchte abzustellen), und plötzlich stand ich in einem großen, leuchtend weißen Oval von Raum. Er war riesig und wirkte ähnlich nüchtern wie ein moderner Konferenzraum. Erfüllt von einem überirdisch weiß leuchtendem Licht war er gebaut aus dicken Mauern, aus den an den Längsseiten unzählige Türen in die beiderseitigen Flure führen. Auf diese Türen nun, sah ich auf beiden Seiten die nervigen Gedanken zustürmen. Sie wollten in den Raum, unbedingt, um mich (weiter) zu bedrängen. Was ich dann erlebte, war faszinierend. Ich sah, wie sie dort, einer nach dem anderen und manchmal mehrere zugleich, manifestiert als graue Schattenwesen, gegen die Türen stürmten und das es ihnen gelang , diese auch teilweise aufzustemmen.
Und dann wurde es immer heller im Raum, das Weiß steigerte sich in einen leuchtend weißen Dunst und die Türen schlossen sich sanft, aber nachhaltig und kraftvoll vor den Eindringlingen. Zu hören war kein Laut.
Die Szenerie hatte etwas ungeheuer friedliches und sicheres und dann erkannte ich, das ich mich mitten in meinem Safespace befand, nur das er sich "ein wenig" verändert hatte. Ich hatte ein bemerkenswertes Erlebnis gehabt.
Vielleicht hat auch dieses Erlebnis erst wieder so richtig mein Augenmerk auf den Safespace gelenkt, so dass ich das kürzlich auch mal auf Twitter thematisierte und fragte, wie andere sich ihren Safespace wohl vorstellen würden. Und wie es dann so ist und oft so geht, liest das dann jemand, mit dem man sich gerade unterhält und der gibt einem dann den Rat den eigenen Safespace zu verschönern oder gar auszubauen und so schließen sich Kreisläufe und entwickeln sich Dinge. Falls Du das hier liest, liebe B., vielen Dank für deine Inspiration.
Ich glaube, sich so einen Safespace zu kreieren, ist immer eine gute Sache, man muss nicht zwingend psychische Probleme haben, um sich so einen Raum zu erschaffen. Es ist ein Ort der Ruhe und des Rückzugs und so einen Ort braucht doch jeder Mensch. Etwas, was ganz allein ihm gehört und wo er bestimmt, wie dieser Ort sein und aussehen soll.
Pat - 17.03.2016, 19:38h
* ergänzt am 22.03.2016
Tags: Depression, Achtsamkeit, Safespace, IchunddieDepression