Hurra, der "Hut" ist weg!
(Aus der Reihe: Die Depression und Ich • Ich und die Depression, Teil 4/Hurra, der Hut ist weg!)
Noch vor wenigen Monaten litt ich unter dem Gefühl, einen kribbelnden "Dauerhut" auf dem Kopf und partiell im Kopf mir mir herum zu tragen, der das Denken zur Glückssache machte.
Im Bereich des Vorderhirns und der Schläfen war das Gefühl am intensivsten und die Gedanken verwirrten und verirrten sich in diesen Tagen oft fast wie von Zauberhand, es herrschte Chaos im Hirn und dann war das Durcheinander komplett.
Ich habe mir ein ums andere Mal die Frage gestellt, warum ich wohl diesen leidigen Hut zu tragen hatte.
Vielleicht lag es an den Antidepressiva, die ich jahrelang regelmäßig gegen die Depression verschrieben bekommen und genommen hatte. In der Hoffnung (sie ist es, die zuletzt stirbt) und oft voller Zweifel, ob die Pillen mir denn wirklich helfen könnten oder würden, nahm ich sie eine ganze Weile.
Vielleicht lag es auch an den Schmerzmedis, die ich (ebenfalls, immer mal und oft auch über Jahre) von Ärzten verschrieben bekam und die ich gegen den chronischen Schmerz einnahm, das ich diesen kribbelnden Hut aufhatte? Hm.
Auch das war eine Möglichkeit, die ich in Betracht ziehen musste. Eine weitere, dritte Möglichkeit, war meine These, das ich vielleicht einfach schon zuviele schlimme Erlebnisse in meinem Leben hinter mir hatte und das doch sicher kein Mensch all dieses Leiden völlig unbeschadet überstehen könne. Und das ich wohl deshalb 'diese Probleme' hätte.
Nun gut, okay.. besonders unlogisch klang diese letzte Betrachtungsweise für mich nun auch nicht. Ein weiterer Grund also, sie möglicherweise als zutreffend in Betracht zu ziehen.
Dieser "Hut" störte mich sehr, weil er mich enorm einschränkte. Denken war damit Glückssache, es gab oft Momente, in der die Konzentration so sehr nachließ, das ich -eben noch etwas gelesen oder gedacht- es wenige Sekunden später bereits wieder vergessen hatte.
Inzwischen hatte ich vielleicht sogar schon wieder mehrfach nachgesehen, wie das Wort oder der Satz oder die Zahl lauteten, das, der oder die mir gerade nicht wieder einfallen wollte. Und dann (Sie ahnen es sicher..), war das Wissen in 2-3 Sekunden schon wieder im Nirvana des Begrifflichen verschwunden und somit hatte sich wieder mal eine Information in Rauch aufgelöst. Großartig! Nicht.
Eine normale Kommunikation war so kaum noch (eventuell mit viel Mühe, aber oft auch garnicht) möglich. An Diskussionen konnte ich mich erst recht kaum noch beteiligen, weil mein Ansinnen mit dieser Form der "Verwirrtheit" geradezu unmöglich durchzuführen zu sein schien und auch das Schreiben gestaltete sich mit diesem Hindernis schwer und schwerer, immer wieder ging der rote Faden verloren; ich eierte, hing in Schleifen fest und konnte dann nicht mehr logisch und/oder schlüssig formulieren. Und die oft erlebte und freudig empfundene Eloquenz beim Schreiben, oder wenn ein Text sich danach beim lesen einfach nur toll und 'rund' anfühlte.. sie war fast gänzlich abhanden gekommen und 'zum Teufel', wie man umgangssprachlich so sagt.
Die Texte gerieten zu Gehirnbrei, die ich niemanden mehr zumuten wollte und konnte. Und auch das Schreiben an sich war eine Qual. Die Texte klangen oft hart, abgehackt und/oder sperrig und oft verlor ich mich in den Denkschleifen, was meine Texte dann entsprechend widerspiegelten. Die daraus resultierende gefühlte 'Sprachlosigkeit' war angsteinflößend und erschreckend.
Wenn einem das Schreiben innerer Antrieb ist und einem normalerweise dabei hilft den Dingen auf die Spur zu kommen, weil man dergestalt seine Gedanken niederlegen, sortieren, analysieren und reflektieren kann, so ist dieser Brei im Hirn eine denkbar ungünstige Situation für einen. Der eigenen Außenstimme beraubt, gerät man mehr und mehr ins Schweigen.
Rückblickend war es vielleicht (neben dem Umstand, dass ich inzwischen nur noch sehr sparsam und auch nur noch sporadisch Medikamente nehme) genau dieses Schweigen und die Begegnung mit einem besonderen Menschen, der mein Denken, beziehungsweise meinen mit den Jahren starr gewordenen und engen Fokus, mit seinen weisen Worten und seiner offenen Art behutsam zu weiten half; was dann dazu führte, dass nun dieser Hut (von mir unerwartet) nach Jahren des Tragens, endlich wieder verschwand und ich dies gerade erstaunt und sehr glücklich feststellten durfte.
Rückblickend weiß ich nur eine (logische) Erklärung dafür:
Es war der 'böse Stress', der altbekannte Jeck, der mir diesen Hut aufsetzte. (Also gewissermaßen ich selbst.) Schwerer, psychisch erlebter (und dadurch auch physisch erlebter) Stress, der zuletzt zu hohem Blutdruck und anderen unschönen 'Dingen' führte. Ich war damals voller (oft auch schlimmer) Gedanken und sie wirbelten nur so durch meinen Kopf und so war der innere Leidensdruck entsprechend hoch.
Mein Kopf war oft ein einziges und manchmal sehr lautes Chaos. Wie hatte ich das nur so lange aushalten können, frage ich mich unwillkürlich, während ich diese Sätze niederschreibe und daran denke, das ich diesen Hut jahrelang trug, mal selten und unauffällig, dann wieder lange Zeit sehr oft und sehr intensiv. Allgemein betrachtet war der Hut in dieser Zeit immer im Hintergrund der eigenen Wahrnehmung spürbar.
Als ich dann achtsam(er) mit mir und meiner Umwelt wurde und begann öfter mal zu schweigen und nicht mehr zu allem und jedem eine Meinung zu haben (oder gefühlt haben zu 'müssen'), und mich auch nicht länger mit anderen Menschen verglich und beschloss, im Gegenzug auch auf Bewertungen zu und über meine Person (und allgemein bei Menschen auf Bewertung) zu verzichten, legte sich der Druck und die Stille und ein Gefühl von Ruhe und Gelassenheit entstanden langsam wieder in mir. Seitdem ist der Hut weg und das Denken und Schreiben macht wieder Freude und entwickelt sich zu meiner Zufriedenheit.
Ich bin sehr dankbar dafür, das ich nun weiß, das man 'alte Hüte' tatsächlich auch wieder loswerden kann, auch wenn es lange nicht so scheint.
Aber was ist schon immer so, wie es scheint?
- Ende -
Pat - 24.03.2016, 04:15h
Zu diesem Text:
Er entstand im im direkten Anschluß nach Veröffentlichung dieses Textes: Mrs.Levia [Blog]: Das Hamsterrad
(Aus der Reihe: Ich und die Depression • Die Depression und Ich - Teil 3/Hamsterrad)
und wurde am 15.05.2016 veröffentlicht.
Tags: Depression, IchunddieDepression, Stress, Rückschau, Freude, Dankbarkeit, nachgereicht
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